Ein tragisches Reiseerlebnis. S. Fischer Verlag, Taschenbuch, 11 Euro

„Die Erinnerung an Torre di Venere ist atmosphärisch unangenehm. Ärger, Gereiztheit, Überspannung lagen von Anfang an in der Luft und zum Schluß kam dann der Choc mit diesem schrecklichen Cipolla, in dessen Person sich das eigentümlich Bösartige der Stimmung auf verhängnishafte und übrigens menschlich sehr eindrucksvolle Weise zu verkörpern und bedrohlich zusammenzudrängen schien.“ So beginnt Thomas Manns Novelle Mario und der Zauberer. Bereits in den ersten Sätzen deutet der Erzähler Verlauf und Ende der Geschichte an und erweckt unweigerlich Neugierde, mehr über das rätselhaft Unangenehme zu erfahren. Die Novelle entstand Ende der 1920er-Jahre und basiert auf Reiseerlebnissen, die Thomas Mann im faschistischen Italien gemacht hat. Seismographisch nahm er Stimmung und Atmosphäre auf und formte daraus einen geradezu visionären Text, ein literarisches Dokument der Zeit unmittelbar vor Hitlers Machtergreifung. Im Mikrokosmos einer Abendveranstaltung des Zauberers Cipolla führt der Erzähler die Faktoren vor, die aus einer Gruppe zivilisierter Menschen eine emotionale Masse machen, die – hypnotisiert und selbstvergessen – den individuellen Willen aufgibt und alle Hemmungen verliert.

Neben dem zeithistorischen Wert der Novelle ist es gerade ihr parabelhafter Charakter, der dem Text eine fast schmerzliche Allgemeingültigkeit und Brisanz verleiht. Überdies ist Mario und der Zauberer aber auch ästhetischer Lesegenuss! [Anne Müllerschön]

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