Die Bücher des Monats sind unsere besonderen Bücher aus dem jeweiligen Wetzsteinbrief des Monats.

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Drei Reden zur Gegenwart alter Probleme. Hamburger Edition, 15 Euro

Bevor wir am Schluss unserer Lektüreempfehlungen noch einmal nach Italien und Rom zurückkehren, hier noch der Hinweis auf ein neues kleines Buch von Jan Philipp Reemtsma, das mir sehr am Herzen liegt. Drei Reden zur Gegenwart alter Probleme. Diese klugen Reden drehen sich um die immer wiederkehrenden Themen Krieg, Gewalt, Antisemitismus, Freiheit der Rede. „Sagt, hab ich recht?“ Christoph Martin Wieland über die Freiheit der Presse als Synonym für „Aufklärung“, Antisemitismus – was gibt es da zu erklären? und als dritte aller im Jahr 2024 gehaltenen Reden Magdeburg oder Der Abscheu. Alle sind sie äußerst gehaltvoll und klar in ihrer Aussage. So gehaltvoll, dass man sie immer wieder zur Hand nehmen und sich erneut in sie vertiefen kann. „In der Regel sind die Probleme, mit denen man in seiner Gegenwart konfrontiert ist, gar nicht so neu, wie man fürchtet, und oft fürchtet man sie nur, weil man sie für neu hält.“ (S. 28) Reemtsma beendet die dritte Rede im Zusammenhang mit Magdeburg 1631 und dem 7. Oktober 2023: „Wir sprechen über die Selbstfeier von Mördern und Vergewaltigern. Wir sprechen über eine Zeit, die den Blick auf den Krieg zu ändern begann, nicht zuletzt darum, weil diese Selbstfeier Abscheu und Ekel erregt hat. Dieser Abscheu gehört zum Kostbarsten, was wir haben. Er ist das Fundament unserer zivilisatorischen Sittlichkeit. Verlieren wir ihn, verlieren wir uns.“ Lesen Sie bitte dieses kleine Buch! [Susanne Bader]

Drei wahre unwahrscheinliche Leben. Hanser Verlag, 23 Euro

 

Claudio Magris erhielt neben anderen, zahlreichen Auszeichnungen 2001 den Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung, 2009 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Sein 2022 erschienenes Buch Gekrümmte Zeit in Krems besprach ich damals im Wetzsteinbrief, und auch sein Werk Kreuz des Südens (2019), jetzt auf Deutsch erschienen, findet hier in unserem April-Brief zu Recht seinen Platz. Der Autor wurde in Triest geboren, studierte in Turin und in Freiburg, war bis 2006 Professor für deutsche Sprache und Literatur in Triest. Diese Stadt ist ein Schnittpunkt vieler Kulturen. Zahlreiche Literaten zog und zieht es immer wieder an diesen gleichzeitig schönen, seltsamen und hoch interessanten Ort.

Von drei sehr unterschiedlichen und abenteuerlichen Leben am Ende des 19. Jahrhunderts erzählt Magris in Kreuz des Südens. Von drei Auswanderern, die sich jeweils in eine weltabgewandte Region dieser Erde wagen – nach Patagonien, ans „Ende der Welt“, fremd, unwirtlich, menschenfeindlich. Zwei Männer und eine Frau wollen das Andere erleben, es kennenlernen, entfernen sich weitestmöglich aus dem eigenen Kulturkreis: Janez Benigar, aus Slowenien stammender Ethnologe, Orélie-Antoine Tounens, Anwalt aus der französischen Stadt Périgueux und Schwester Angela Vallese aus dem Piemont. Was wollten diese Menschen? Benigar hatte die Vision einer Welt, in der es einen würdigen und brüderlichen Platz für alle gibt. Für ihn zählte „nicht in erster Linie das Individuum, sondern das Werk, das, was der Mensch konkret geschaffen und als Vermächtnis hinterlassen hat.“ (S. 69) Tounens wurde über seiner ähnlich gearteten Weltanschauung verrückt, ließ sich zum König von Araukanien und Patagonien ausrufen und kämpfte einen aussichtslosen Freiheitskampf für ein Volk, das sich in Jahrhunderte währenden Auflehnungskämpfen gegen die spanischen Eroberer längst aufgerieben hatte. Schwester Angela war sanft und zugleich wagemutig, entschlossen, angetrieben nicht – nur – von curiositas. „Bei ihr ging es immer um studiositas, das von Liebe erfüllte Wissen. (S. 126) Sie verteidigte die Würde der Menschen, war selbst in ihrem Tun die geglückte Verbindung von Stolz und Respekt. Drei höchst bemerkenswerte Schicksale versammelt Magris in diesem erstaunlichen, kleinen Buch über Heimat und die Fremde, über die Poesie, die Kultur, die Freiheit und den Tod. [Susanne Bader]

Eine optimistische Geschichte der Menschheit. Kjona Verlag, 25 Euro

Angesichts der gegenwärtigen Probleme und Sorgen braucht es die Erinnerung daran, dass es immer wieder Möglichkeiten gab, aus ihnen herauszukommen. Nicht mit Esoterik und auch nicht mit einer Flucht in ein neues Biedermeier. Vielmehr mit einem Text, der Hoffnung stiftet, in dem wissenschaftlich fundiert und basierend auf historischen Fakten davon erzählt wird, dass es sich lohnt, optimistisch zu sein. Und genau deshalb ist es so schwierig, aus diesem Buch Einzelnes zu nennen und damit zu begründen, warum Sie es lesen sollten. Alles in diesem Buch ist Grund genug, es zu lesen und im Anschluss zu überlegen, ob und wie man die Ressource Optimismus anzapfen kann.

Sumit Paul-Choudhury, Physiker, ein Mensch, der Schicksalsschläge erlebte wie jeder andere, hat keinen Ratgeber geschrieben, wie eventuell die ersten Seiten befürchten lassen, sondern ein Lebensbuch, einen Mutmacher, der gelesen werden kann, und zwar in diesen schwierigen Zeiten, um das zu meistern, was ansteht. Für mich gehört es zu den Mutmach-Büchern wie Im Grunde gut von Rutger Bregman oder Schnelles Denken, langsames Denken von Daniel Kahnemann. [Björn Siller]

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Verbrecher Verlag, 20 Euro   „… Du gabst mir meine Flügel zurück. Du empfingst mich zugewandt. Du gabst mir das verlorene Haus zurück, am Ende des langen Weges der Flucht. Auch wenn ich nicht aus deinem Leib entstammte, Werde ich vielleicht doch noch ein Segen für dich sein Jetzt, da ich der Heimat fern bin, […]

Eine Geschichte der Zuversicht von Homer bis zum Klimawandel. C. H. Beck Verlag, 28 Euro Der Altphilologe Grethlein, der an der Heidelberger Universität lehrt, hat nach Mein Jahr mit Achill mit dem neuen Band Hoffnung erneut ein wissensgesättigtes Buch vorgelegt, unterhaltsam und anregend geschrieben und voller eindrücklicher Beispiele. Grethlein durchwandert darin drei Jahrtausende westlicher Geistes- […]