Henry Preston Standish stürzt in den Pazifik – am frühen Morgen, von einem Schiff auf dem Weg von Honolulu nach Panama. Standish ist so sehr Gentleman, das Ideal amerikanischer Ehrbarkeit, dass er wegen der Peinlichkeit dieses Sturzes um Hilfe lediglich flüstert, nicht ruft. Man fällt einfach nicht ins Wasser!

Während Standish sich im Meer nach und nach von seinen Kleidungsstücken löst und damit auch von seiner Lebenshaltung, geht auf dem Dampfer das Leben ungehindert weiter. Die Passagiere sind, wie auch Standish, so gefangen in ihren eigenen Verhaltensmustern, dass es ganze zehn Stunden dauert, bis das Fehlen des Gentleman überhaupt bemerkt wird.

Alles andere zur Geschichte sollten wir hier nicht erzählen. Vieles bleibt offen, wie zum Beispiel die Frage, ob Standish gerettet wird. Doch das trägt umso mehr dazu bei, dass die vorliegende Novelle zu jenen Texten gehört, die einen nicht mehr loslassen. Mit ironischem Grundton gestaltet der Autor eine kraftvolle Erzählung, in der die wenigen Personen zu einem Abbild der amerikanischen Gesellschaft und Denkwelt der 30er Jahre werden.

Standish, eine eigentlich langweilige Figur, fällt nicht nur von Bord, sondern wortwörtlich aus seiner Welt heraus. Je weiter sich das Schiff von ihm entfernt, desto mehr entfernt er sich selbst von seiner geistigen Lebensenge. Der kleine Mann im endlosen Meer entdeckt die Welt noch einmal neu und erlebt Erkenntnisse und Gefühlszustände, die ihm bisher fremd waren. Doch Vorsicht, Herbert Clyde Lewis hat diesen Text meisterhaft komponiert. Wir werden nachdenklich beim Lesen, wir reflektieren unser eigenes Leben.

Übersetzt von Klaus Bonn. Mit einem Nachwort von Jochen Schimmang.

Mare Verlag, 28 Euro

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