Die Speise- und Wunderkammer der exzentrischen Küche Bezaubernd ausschweifende Fundstücke aus Jahrtausenden des kulinarischen Wahnsinns Herausgegeben:Roth, Tobias; Rauchhaus, Moritz
von Susanne Bader und Björn Siller
Dieses Mal auch mit Dagmar Faller, Ilona Ganter, Anne Müllerschön, Aleksandra Nieddu und Maximilian Berger
Mein Lieblingsbuch (Dagmar Faller) des vergangenen Jahres ist Vernichten von Michel Houellebecq, eine Mischung aus einem spannendem Politroman und der Familien- und Liebesgeschichte um den Protagonisten Paul Raison. Wir begleiten Paul ein Jahr während der französischen Präsidentschaftswahlen 2027. Er ist engster Berater und Freund des amtierenden Wirtschaftsministers Bruno Juge, der kurzzeitig als Premierminister vorgesehen wird – bis zu einer Verfassungsänderung, die das Amt des Premierministers abschaffen und ein präsidiales Regierungssystem einführen soll. Dies ist der politische Erzählstrang, in dem es um die Vernichtung der Demokratie, des modernen Lebens geht, und der der privaten Geschichte Pauls einen Rahmen gibt.
Paul lebt in einer scheinbar zerrütteten Ehe mit Prudence. Als Pauls Vater einen Schlaganfall erleidet, kümmern sich er und seine beiden Geschwister um den pflegebedürftigen Vater in dessen Landhaus im Beaujolais. Durch dieses Ereignis kommt es wieder zu einer Annäherung zwischen Paul und Prudence. Houellebecq lässt seine Figuren sich einander zuwenden und Halt in ihren Beziehungen finden. Dies beschreibt er meisterlich in einer sachlichen und fast nüchternen Sprache, die unglaublich berührt. In meinen Augen ein zutiefst versöhnlicher Roman, vielleicht der letzte Houellebecq, ein Meisterwerk, dessen Lektüre ich Ihnen wärmstens ans Herz legen mag. [Dagmar Faller]
Roman DuMontVerlag, 17 Euro (Taschenbuch) bestellen
oder 28 Euro (gebunden) Bestellen
Suhrkamp Verlag,13 Euro Bestellen
Mit Amos Oz und seiner Geschichte von Liebe und Finsternis im Gepäck lernte ich auf meiner ersten Israelreise das Land kennen: mit seinen Lebenserfahrungen, mit denen seiner Familie und solchen von geflüchteten Literaten und Philosophen, geprägt von den großen Ideen für das neue Heimatland Erez Israel und all den gescheiterten Hoffnungen der Einwanderer-Generationen. Oz erzählt Geschichte und Geschichten, von Europa, von Israel in der Mandatszeit bis heute (Stand 2007), von einem Sehnsuchtsleben im Kibbuz und er präsentiert uns eine (untergegangene) Welt des Geistes mit all jenen Personen, die wir aus unserem Judaika-Regal im Wetzstein kennen: Samuel Agnon, Martin Buber, David Ben Gurion, Josef Klausner u.a.) und mit all ihren Ideen und Werken.
Von diesen Menschen und ihren Hoffnungen erfüllt, bietet es sich an, als nächstes die Lebensgeschichte von Sari Nusseibeh zu lesen.
Sari Nusseibeh: Es war einmal ein Land Bestellen
Ein Leben in Palästina. Suhrkamp Verlag, 14 Euro
Sein Buch Es war einmal ein Land war für den palästinensischen Philosophen, Weltbürger und Präsidenten der Al-Quds-Universität in Jerusalem (bis 2014) zwingend notwendig für einen zukünftigen Frieden. Denn im Unwissen über den anderen sieht Nusseibeh einen Kern des israelisch-palästinensischen Konflikts, und nur wenn Israelis und Palästinenser ihre Nachbarn kennen, können sie auch miteinander leben. Daher erzählt er so ausführlich von seinem Leben, das nur wenige Meter vom Lebensort von Amos Oz entfernt sich abspielte und doch so ganz anders war. Nusseibeh, ganz der Vernunft verpflichtet, reagiert auf die Ideen, die wir bei Oz kennenlernen und schreibt sie aus seiner palästinensischen Sicht weiter. Ja, er erzählt uns auch von all jenen Versuchen, diese als Berater und Politiker umzusetzen.
Beide Bücher zusammen bereichern sich gegenseitig und werfen in einer feinsinnigen, literarisch hochwertigen, traurigen und humorvollen Weise einen wichtigen Blick auf die Gesellschafts- und Politikgeschichte Israels. Sie erzählen uns, warum dieses Thema uns auch heute angeht und warum es sich lohnt, die insgesamt rund 1200 Seiten zur Hand zu nehmen. Gerade auch als Sommerlektüre.
[Björn Siller]
Antworten auf philosophische Fragen von Kindern.
Das Schöne an diesem Buch ist, dass es sich nicht leicht einordnen lässt. Ist es für Kinder, für Erwachsene, für beide? Ist es philosophisch, lustig, ernst, gar belehrend? Eines ist es nicht: zynisch. Tomi Ungerer stellt sich mit einer Natürlichkeit, mit einer ernsthaften Leichtigkeit, die sich nie besserwisserisch gibt, den Fragen der Kinder. Diese drehen sich um Angst, um Denken und Wissen, um Familie, Freundschaft, Gesellschaft und Moral. Sie beschäftigen sich mit der Liebe, der Religion, mit dem Tod. Ungerer antwortet mit vielen Anekdoten aus seinem Leben, da er durch die neugierigen, wissbegierigen Kinder in seine eigene Kindheit zurückversetzt wird. Bei seinen Antworten stellt er „– meist über den Umweg des Humors, der das wesentlichste Mittel zum Überleben ist – die Grundsätze des Respekts und des Teilens in den Vordergrund. Und vor allem: die Freiheit des Denkens.“ „Ich nehme mir die Freiheit, selbst zu denken … Mein Hirn steht mit beiden Beinen auf dem Boden, und manchmal nimmt es auch die Beine in die Hand.“ Das Buch regt zum Weiterdenken an. Denn: „Mit einer Antwort wird man eine Frage nicht unbedingt los.“ Ungerer war ein großer Dichter, ein wunderbarer Zeichner und Illustrator. Er war frech, manches Mal obszön und nicht jugendfrei und – er besaß eine bewundernswerte Herzensbildung. Er war ein Mensch. [Susanne Bader]
Diogenes Verlag, 22 Euro
Dieses Buch aus dem mareVerlag, das wir in diesem Wetzsteinbrief vorstellen, empfehlen wir, weil es voller lesenswerter Geschichten und wunderbarer Illustrationen ist.
Für alle, die mehr wissen wollen: Macías stellt darin 34 Leuchttürme aus allen Ecken dieser Welt vor. Leuchttürme, die noch heute ihr Licht aussenden und Leuchttürme, die Vergangenheit sind. Bei allen jedoch lesen wir jene Geschichten, die den Charme der Welt der Leuchttürme ausmachen und uns zum Träumen bringen. Durch die Illustrationen erfahren wir zusätzlich alles Wichtige, um diese andere Welt zu verstehen: Karten, Längen- und Breitengrade, Feuerhöhe und Kennung der Türme.
Und damit ist es ein wunderbares Buch zur abendlichen Lektüre an unseren Freiburger Bächle! Das Buch in der Hand, die Füße im Wasser, ein Gläschen Wein. Dann ist der Alltag verschwunden. Sie sind mitten in einem wunderbaren Kurzurlaub.
Wer Lust auf mehr Leuchttürme bekommt, dem sei ein Klassiker ans Herz gelegt, der auch im Buch empfohlen wird, neu im Kampa Verlag erschienen: Virginia Woolf: Die Fahrt zum Leuchtturm
mareVerlag, 36 Euro
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Der monatliche Wetzsteinbrief mit unseren Buchempfehlungen.
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